Erkenntnisse aus dem Buch „Computersüchtig“ von Wolfgang Bergmann und Gerald Hüther:
Zu Kapitel 1:
Die Erfahrung beim Computerspielen kann als ozeanisch beschrieben werden, wie aus der Sichtweise eines Kleinkindes, das kein Verständnis von Zeit und Raum und „von sich selbst unterschiedene Welt der Objekt“ kennt.
Das Gefühl der Selbstvergessenheit erfüllt den Spieler – das Ich wird zerstreut, sprunghaft und unvorhersehbar. Ein Vollkommenheitsstreben entfaltet sich in dieser konstruierten Welt (siehe auch z.B. das Aussehen der meisten Charaktere in Second Life).
Das kindliche Verlangen nach dem unendlichen Glück – nach Brechts Baal – wird angeheizt.
Gefühle der Allmacht breiten sich aus – ihnen sind der Wunsch nach Halt, Familie und der früheren gelernten Wahrnehmung entgegengestellt.
Zerrissenheit ist die Folge.
Die Gesellschaft, die sich an dem Phänomen der Individualisierung ausrichtet, die den Bedeutungsverlust von Bindungen forciert und die Anonymisierung vorantreibt führen bei dem sozialen Wesen Mensch zu Antisozialität (Mangel an Kompetenz zum selbstreflexiven, verantwortungsvollen, planungsvollen Umgang mit sich und der Umwelt).
Man entwickelt sich zu einem radikal isoliertem Individuum. Ein Gefühl permanenter Überforderung stellt sich ein, man verharrt in seiner Egozentrik wartend auf das ich-bezügliche Glück.
Ein weiters Problem ist das der Entscheidungslosigkeit. Jede Entscheidung ist begrenzt und schließt andere Möglichkeiten aus – ein radikal egozentrischer Mensch erträgt dies nicht und bleibt so unbefriedigt und desorientiert.
So bindet man sich bereitwillig an gesellschaftliche Autoritäten so z.B. auch Medien, die für uns die Deutungshoheit besitzen. Attraktive Berufsbilder sind durch sie omnipräsent, aber anscheinend unerreichbar und diese Menschen lässt das narzisstisch depressiv werden.
In Familien „verharren […] Männer in mürrischer Trägheit und entfernen sich innerlich aus der Familie“, Frauen dagegen forcieren eher eine Trennung (Stichwort Bauchgefühl).
Moderne Familien sind sehr anfällig für Krisen. In der Folge wird aus der „Bedürfnisgemeinschaft [wird] zugleich eine Harmoniegemeinschaft“.
Das Kind ist die einzige Gewissheit in der Familie und dem Mama- und Papa-Ego entgegengestellt. Es muss die familiäre Harmonie bestätigen und „darf niemals unglücklich sein“. Das Kind wird so andauernd verwöhnt und darf niemals Niederlagen erleben.
Ein erzogener Egozentriker ist die Folge.
Ab dem dritten Jahr wird ein Leistungsanspruch an das Kind herangetragen, das im schlimmsten Fall zu Perfektionssucht mutiert und in einem „liebeshungrigen und emotional verarmten Charakter“ kulminiert.
Dies endet in Dissozialität.
In der digitalen Welt dagegen stellt überall den stetige Aufbruch zur Suche nach dem ANDEREN heraus und entlässt das Individuum in krankhafter Willenlosigkeit.
Am Computer kann sich der verborgende kleinkindliche Narzissmus als Vollkommenheitswahn in den virtuellen Räumen entfalten.
Die letztendlichen Folgen durch andauernden Konsum sind u.a. der Anstieg von ADS-Diagnosen.
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