Freitag, 17. Juli 2009

Merkur


Schon seit geraumer Zeit driftet der "Merkur - Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken", einst renommierter Vermittler zwischen wissenschaftlichem und journalistischem Diskurs, unaufhaltsam nach rechts. Spätestens seit dem 11. September 2001 scheint es zum zentralen Anliegen der Herausgeber Karl Heinz Bohrer und Kurt Scheel geworden zu sein, zu erweisen, wie perfide der Araber und seine Religion als solche seien. Neben solchen rassistischen Ausfällen ist es auch mit der ökonomisch-kulturellen Deutungsmacht der Zeitschrift nicht mehr weit her: in blindem Furor richtet man sich gegen die weinerlichen, politisch-korrekten Alt-68er, die allein an allem schuld seien.

Eno Stahl
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exkurs

Die französische Literatur, vor allem die Dichtung Charles Baudelaires, half ihm, in zahllosen Büchern den schönen Schrecken der Moderne zu interpretieren und das Böse in der Kunst zu beschwören.


Dennoch wäre man bislang bei diesem konservativen Exzentriker kaum auf den linken "Zivilisationsliteraten" Heinrich Mann gekommen. Einst Literaturchef der FAZ, bis ihn dort 1973 der weniger akademische Marcel Reich-Ranicki ablöste, ist Bohrer seit 1983 Herausgeber des Merkur, auf dessen Seiten er als intellektueller Provokateur gerne schwächliche Friedfertigkeit und falschen Moralismus bekämpft, dabei überall geistigen Defätismus witternd. Seine Tabubrüche machten ihn in den Augen überschwänglicher Beobachter zuletzt gar zum Ahnherren des Tempo-Journalismus.


Das ästhetische Subjekt bekomme bei Bohrer seine Freiheit zurück, gegen alle politischen Zumutungen des Zeitgeists. Baudelaire, Heinrich Mann und Bohrer einten die Fähigkeit zur Karikatur, Lust an der Physiognomie und grellen Effekten.


Taz-Autor ALEXANDER CAMMANN über den Herausgeber des Merkurs Karl Heinz Bohrer

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