Dienstag, 7. April 2009

„Ich gehe erst einmal los […]. Der Rest wird sich schon irgendwie ergeben.“

Knarf Rellöm Trinity Move your Ass and Your Mind will follow

Vergleich zwischen "Herr Lehmann" von Sven Regener und "Aus dem Leben eines Taugenichts" von Joseph von Eichendorff

3.5 Kritik an Mensch und Gesellschaft

Was im Taugenichts unmissverständlich zur Sprache gebracht wird, ist die Respektlosigkeit

gegenüber Philistern und Anhängern des Biedermeiers. Mit seiner positiven

Lebenseinstellung zeigt der Taugenichts, dass er dem negativen, egozentrischen Weltbild der

Spießbürger einiges entgegen zu setzen hat. Fixiert wird im ,Taugenichts′ unter anderem die

Verführung des Menschen zum Bösen, dass sich in einer habgierigen Selbstbezogenheit

äußert (als Beispiel dafür lässt sich die Person des Pförtners angeben).

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Regener agiert unterschwelliger: Er kritisiert ebenfalls die Spießbürger dieses Landes, bedient

sich jedoch konsequent der Mithilfe seines Protagonisten. Zunächst wird die Figur des Herrn

Lehmann sozusagen zur Disposition gestellt, ist allenfalls eine diskutable Persönlichkeit und

entpuppt sich erst später als wunder Punkt der Gesellschaft. Dies geschieht, wenn man sich

fragt, was mit all den anderen ist, die so sind wie ein Herr Lehmann und die dieses Buch

lesen. Werden sie es in seiner vollen Bedeutung verstehen und sich selbst erkennen? Das ist

die Frage, die im Buch ohne Unterlass gestellt wird, denn wahrscheinlich hat jeder Mensch

mindestens einen solchen Lehmann in seinem Bekanntenkreis. Diese unnatürliche Normalität

eines Menschen, der sein Leben als glücklich erachtet, geht so weit, dass er selbst nicht mehr

erkennen kann, was für einen großen Trümmerhaufen er da hinter sich errichtet hat. Eine

solche Figur erzeugt zwangsläufig Abstand beim Leser, vielleicht sogar Wut. Wer jedoch

Lehmann verstehen kann, der wird wohl beim nächsten politischen Super-Event ebenfalls

denken: ,,Ich gehe erst einmal los [...] Der Rest wird sich schon irgendwie ergeben."40

Somit haben beide Bücher einen warnenden Charakter und die Botschaft wird jeweils über

extreme Charaktere vermittelt, von denen man sich entweder distanziert oder auf

außergewöhnliche Weise angezogen fühlt.

Fazit

Obwohl die Zeitspanne über 150 Jahre beträgt, scheint der brave Spießbürger an Aktualität

nichts einzubüßen und steht scheinbar zu allen Zeiten im Zentrum der Kritik. Wenn man die

beiden Autoren als Freidenker bezeichnet, sei es der romantische, sei es der moderne,

bevorzugt der eine die aufregenden, abenteuerlustigen und lebensfreudigen Figuren und der

andere die depressiven und unentschlossenen, so verurteilen doch beide die Philister auf das

Allerschärfste. Denn was bleibt noch am Ende eines Lebens, das aus dem Nichts entstanden

ist und wieder in das Nichts zurückkehren wird?

Nur die Verwirklichung einer eigenen Persönlichkeit, die Erstellung des Individuums, die sich

gegenteilig zur verbitterten, freudlosen Einstellung derer zeigt, die ihr Leben in einem

postklassischen Biedermeier verbringen und die Chance vertan haben, ihr Leben auf Erden

zum Zustand des Glückes zu etablieren.

Danke an den Autoren aus der Vergangenheit und den der Gegenwart, uns daran zu erinnern

und uns Mut für die Zukunft zu machen.

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