„Ich gehe erst einmal los […]. Der Rest wird sich schon irgendwie ergeben.“
Knarf Rellöm Trinity Move your Ass and Your Mind will follow
Vergleich zwischen "Herr Lehmann" von Sven Regener und "Aus dem Leben eines Taugenichts" von Joseph von Eichendorff
3.5 Kritik an Mensch und Gesellschaft
Was im Taugenichts unmissverständlich zur Sprache gebracht wird, ist die Respektlosigkeit
gegenüber Philistern und Anhängern des Biedermeiers. Mit seiner positiven
Lebenseinstellung zeigt der Taugenichts, dass er dem negativen, egozentrischen Weltbild der
Spießbürger einiges entgegen zu setzen hat. Fixiert wird im ,Taugenichts′ unter anderem die
Verführung des Menschen zum Bösen, dass sich in einer habgierigen Selbstbezogenheit
äußert (als Beispiel dafür lässt sich die Person des Pförtners angeben).
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Regener agiert unterschwelliger: Er kritisiert ebenfalls die Spießbürger dieses Landes, bedient
sich jedoch konsequent der Mithilfe seines Protagonisten. Zunächst wird die Figur des Herrn
Lehmann sozusagen zur Disposition gestellt, ist allenfalls eine diskutable Persönlichkeit und
entpuppt sich erst später als wunder Punkt der Gesellschaft. Dies geschieht, wenn man sich
fragt, was mit all den anderen ist, die so sind wie ein Herr Lehmann und die dieses Buch
lesen. Werden sie es in seiner vollen Bedeutung verstehen und sich selbst erkennen? Das ist
die Frage, die im Buch ohne Unterlass gestellt wird, denn wahrscheinlich hat jeder Mensch
mindestens einen solchen Lehmann in seinem Bekanntenkreis. Diese unnatürliche Normalität
eines Menschen, der sein Leben als glücklich erachtet, geht so weit, dass er selbst nicht mehr
erkennen kann, was für einen großen Trümmerhaufen er da hinter sich errichtet hat. Eine
solche Figur erzeugt zwangsläufig Abstand beim Leser, vielleicht sogar Wut. Wer jedoch
Lehmann verstehen kann, der wird wohl beim nächsten politischen Super-Event ebenfalls
denken: ,,Ich gehe erst einmal los [...] Der Rest wird sich schon irgendwie ergeben."40
Somit haben beide Bücher einen warnenden Charakter und die Botschaft wird jeweils über
extreme Charaktere vermittelt, von denen man sich entweder distanziert oder auf
außergewöhnliche Weise angezogen fühlt.
Fazit
Obwohl die Zeitspanne über 150 Jahre beträgt, scheint der brave Spießbürger an Aktualität
nichts einzubüßen und steht scheinbar zu allen Zeiten im Zentrum der Kritik. Wenn man die
beiden Autoren als Freidenker bezeichnet, sei es der romantische, sei es der moderne,
bevorzugt der eine die aufregenden, abenteuerlustigen und lebensfreudigen Figuren und der
andere die depressiven und unentschlossenen, so verurteilen doch beide die Philister auf das
Allerschärfste. Denn was bleibt noch am Ende eines Lebens, das aus dem Nichts entstanden
ist und wieder in das Nichts zurückkehren wird?
Nur die Verwirklichung einer eigenen Persönlichkeit, die Erstellung des Individuums, die sich
gegenteilig zur verbitterten, freudlosen Einstellung derer zeigt, die ihr Leben in einem
postklassischen Biedermeier verbringen und die Chance vertan haben, ihr Leben auf Erden
zum Zustand des Glückes zu etablieren.
Danke an den Autoren aus der Vergangenheit und den der Gegenwart, uns daran zu erinnern
und uns Mut für die Zukunft zu machen.